Logopädie bei Demenz

 

Durch die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland steigt der Anteil von Menschen mit Demenz unaufhaltsam. Die Anzahl der Neuerkrankungen liegt bei 300.000 pro Jahr. Bei vielen Dementen kommt es im Verlauf der Erkrankung zu Kommunikationsproblemen, sprachlichen Schwierigkeiten sowie zu Störungen der Ernährung und des Schluckens. Laut der ASHA und des RCSLT ergeben sich für Logopädinnen folgende Tätigkeitsfelder: Prävention (Vorbeugung und Verhütung); Identifizierung (Erkennung); Untersuchungen der Nahrungsaufnahme und des Schluckens (Beurteilung des Schluckvermögens hinsichtlich der Parameter Aspirationsgefahr, Luftnot-Risiko und bedarfsdeckende orale Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme) sowie eine Diagnostik von kognitiv-kommunikativen Störungen; Planung und Durchführung von Behandlungen im Bereich der Kognition (Wahrnehmung, geistige Aktivität), Kommunikation und Nahrungsaufnahme (z.B. Abänderung der Beschaffenheit von Nahrungsmitteln/Getränken oder Beratung und Instruktion von Angehörigen/pflegendem Personal); Wissensvermittlung an Betroffene/Angehörige oder an andere Professionen (Ursachen und Folgen einer Schluckstörung); Begleitung und Beratung; Case Management; Zusammenarbeit im multidisziplinären Team und eine mögliche Überweisung an andere Fachkräfte; Forschung. Bei allen degenerativen Demenzen (Abbau von Nervenzellen im Gehirn) kann es zu sprachlichen und kommunikativen Beeinträchtigungen (Schwierigkeiten beim Empfangen und Übermitteln von Nachrichten, Probleme beim unabhängigen und effektiven Kommunizieren – funktionale Kommunikation) kommen.Bei der Alzheimer Demenz zeigen die Betroffenen im frühen und mittleren Erkrankungsstadium oft Wortfindungsstörungen und Sprachverständnis-Probleme. Ihre Sprache wird zunehmend inhaltsleer und ihnen fällt es sehr schwer, sich dem Gesprächspartner anzupassen. Im späten Erkrankungsverlauf kann es bei den Alzheimer-Dementen zu einem Verlust des Sprachverständnisses, einer Sprachverarmung sowie zu einer ausschließlichen Produktion von Automatismen (unwillkürliche Wiederholungen von Worten) und Jargon (sinnlose Aneinanderreihung von Wörtern und Redefloskeln bei flüssiger Produktion) kommen. Welche individuellen sprachlichen und/oder kommunikativen Symptome vorliegen hängt von der Grunderkrankung, dem Ort und Ausmaß der Schädigung und dem Zusammenspiel mit anderen kognitiven Beeinträchtigungen (z.B. Verhaltensauffälligkeiten) ab.

Auch wenn die kommunikativen Fähigkeiten im Verlauf einer Demenz abgebaut werden, bleibt das menschliches Bedürfnis nach Kommunikation weiterhin bestehen. Aus diesem Grund muss auch das Umfeld miteinbezogen werden, um die sprachlich-kommunikative Teilhabe des Demenz-Kranken am sozialen Leben so lange wie möglich zu erhalten.

Ältere Menschen sind einer größeren Gefahr der Mangelernährung und Dehydration (Austrocknung des Körpers) ausgesetzt. Bei Demenz-Kranken haben Mangelernährung (Verlust der Fähigkeiten zur Nahrungsmittel-Erkennung und Beschaffung, der Zubereitung von Mahlzeiten sowie der Besteck-Nutzung – Nahrungsverweigerung, fehlendes Durst- und Hungergefühl) oder Dehydration einen entscheidenden Einfluss auf den körperlichen und geistigen Leistungsabbau, was Verwirrtheit, Gedächtnisstörungen oder Apathie (Teilnahmslosigkeit, mangelnde Erregbarkeit) auslösen kann (dadurch werden die Symptome einer Demenz verstärkt). Im Verlauf einer Demenz kann es außerdem zu Schluckstörungen mit einem erhöhten Risiko einer Penetration (Eindringen von Nahrung bzw. Flüssigkeiten in die oberen Atemwege vor dem Schlucken) und Aspiration (Eindringen von Flüssigkeit oder Nahrung in die unteren Atemwege - Gefahr einer Aspirationspneumonie, welche bei der Alzheimer-Demenz die häufigste Todesursache ist) mit einem Husten während der Mahlzeiten kommen oder zu einer verlängerten Dauer des Schluckens bei Flüssigkeiten oder fester Nahrung. Im Verlauf einer Demenz-Erkrankung kann es zu Beeinträchtigungen der sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten zusammen mit anderen gestörten kognitiven Fähigkeiten und/oder sprachlichen Aphasie-ähnlichen Symptomen nach Schlaganfall kommen. Die Logopädie-Diagnostik sollte sowohl den Status von Kommunikation und Sprache als auch kognitive Basisfunktionen (Leistungen der Aufmerksamkeit und des Arbeitsgedächtnisses) beinhalten und untersuchen. Im deutschsprachigen Raum existieren bisher nur wenige logopädische Diagnostik-Verfahren zur Überprüfung von Sprache und Kommunikation, die speziell auf Demenz-Erkrankungen ausgerichtet sind. Durch die Nutzung formeller und informeller Tests können Leistungen der Sprachproduktion und Sprachwahrnehmung sowie linguistische Fähigkeiten wie z.B. Semantik überprüft werden. Strukturierte Befragungen der Demenz-Patienten und ihres Umfeldes sowie zielgerichtete Beobachtungen in Kommunikationssituationen können über verbale und nonverbale kommunikative Verhaltensweisen des Demenz-Patienten Aufschluss geben. Des weiteren müssen Blickkontakt, Körperhaltung, Motivation, Mitarbeit und Zuhörverhalten des Patienten beurteilt und Wissen über seine Biografie erlangt werden. 

Die Methoden in der logopädischen (symptomorientierten) Therapie beinhalten verbale Kommunikation, schriftsprachliche Fähigkeiten sowie den Einsatz von unterstützenden Kommunikations- und Erinnerungshilfen. Neben der Sprachtherapie der Demenz-Kranken wird auch eine Beratung der Angehörigen durchgeführt (ggf. werden Kontakte zu Selbsthilfeverbänden/ Beratungsstellen vermittelt). Schreitet die Demenz weiter voran, kommt es zu einem Übergang von der direkten zur indirekten Therapie (Schulung/Beratung der Angehörigen/Pflegenden in Bezug auf Kommunikation: Erhalt und Befriedigung von Kommunikationsbedürfnissen und die kontinuierliche Anpassung an die veränderten Fähigkeiten der Demenz-Kranken).

Durch Kognitive Interventionen sollen kognitive Funktionen (wie z.B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit oder Sprache) aktiviert werden.

1. Kognitives Training: Durch wiederholtes Üben sollen Funktionen wie Sprache oder Gedächtnis aufrechterhalten oder verbessert werden.

2. Kognitive Stimulation: Anregende Gruppenaktivitäten zur Stärkung sozialer und kognitiver Fähigkeiten.

3. Kognitive Rehabilitation: Individuelle Ressourcen und Stärken sollen genutzt werden, um die Teilhabe des Patienten im Alltag zu verbessern. Das therapeutische Setting muss alltagsnah gestaltet und die Angehörigen miteinbezogen werden.

 

(Quelle: Überregionaler Arbeitskreis Demenz: Torsten Bur, Katharina Dressel, Karen Grosstück, Heike D. Grün, Stefan Heim, Monika Hübner, Christina Knels, Inga Lange, Petra Schuster & Saskia Sickert im Forum Logopädie, September 2019, S.26-29 )

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