Die Vorteile eines bilingualen Aufwachsens
Im Alter von vier bis sechs Monaten trainiert ein Baby durch das Brabbeln und Plappern erst einmal die Lautbildung. Doch die Psychologin Janet Werker hat mit einer Studie gezeigt, dass schon Säuglinge ein erstaunliches Sprachverständnis haben können. Allein an den Mundbewegungen des Sprechers können sie Muttersprache und Fremdsprache voneinander unterscheiden. An dieser Studie nahmen Babys im Alter von vier, sechs und acht Monaten teil, die bilingual (spanisch und katalanisch) aufwachsen. Sie wurden mit anderen Babys verglichen, die von Geburt an nur eine dieser Sprachen gehört haben. In dieser Studie zeigte die Psychologin den Babys tonlose Videos, in denen dieselbe Person Texte in verschiedenen Sprachen vorlas. Nur durch das Lippenlesen konnten die Zweisprachler sogar Englisch und Französisch voneinander unterscheiden. Einsprachler haben diese Fähigkeit nur in den ersten Monaten, aber im Alter von acht Monaten geht sie wieder verloren. Ergebnisse aus bisherigen Untersuchungen beweisen also, dass Zweisprachler bereits von Geburt an beide Sprachen gut voneinder trennen können und ihnen das beim Erlernen einer weiteren Sprache von Nutzen sein wird. Bildgebende und elektrophysiologische Verfahren zeigten, dass bilinguale Menschen für beide Sprachen das gleiche neuronale Netzwerk aus der Kindheit verwenden und ihr Gehirn Sprache schneller und effizienter verarbeiten kann. Wer dagegen eine Sprache erst später erlernt, aktiviert neben dem ursprünglichen Netzwerk der Muttersprache ein ganz neues Netzwerk. Das Lernen ist anstrengender, da sich das Gehirn erst einmal an andere Eigenheiten wie z.B. Sprechrhythmus oder Sprachmelodie gewöhnen müsste. Das bilinguale Aufwachsen hat einen guten Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten und führt dazu, dass das Gehirn im Alter länger fit bleibt. Denn Zweisprachler erkranken im Durchschnitt erst fünf Jahre später an Alzheimer oder Demenz.
(Quelle: Artikel „Die Dolmetscher“ von Barbara Reye, sueddeutsche.de vom 22.02.2011)