Hörtraining mit Musik zur Behandlung von Sprachverständnisstörungen

 

Für einen positiven emotionalen, sozialen und kognitiven Entwicklungsverlauf sollte ein sprachauffälliges Kind vor Schulbeginn so früh wie möglich diagnostiziert und erfolgreich behandelt werden. Bei den meisten Sprachentwicklungsstörungen handelt es sich um eine Kombination aus einer rezeptiven und expressiven Störung. Wird eine nur geringe Anzahl von Begriffen verstanden oder inhaltsähnliche Begriffe miteinander verwechselt, liegt eine rezeptive Sprachstörung vor. Es existieren Hinweise dafür, dass Schwierigkeiten im Lesesinnverständnis auf eingeschränkte rezeptive Sprachleistungen in früher Kindheit zurückzuführen sind. Kinder mit Sprachverständnisstörungen, die dafür kaum eine Eigenwahrnehmung haben, orientieren sich in vertrauten Abläufen und Situationen nur an sogenannten Schlüsselwörtern. Die Eltern solcher Kinder haben dann oft den Eindruck, dass ihr Kind nur nicht richtig zuhört oder Konzentrationsprobleme hat. In einer Studie wurde der Frage nachgegangen, ob ein Hörwahrnehmungstraining (Verfahren nach AUDIVA®) mit technisch veränderter, klassischer Musik das auditive Arbeitsgedächtnis (Testung: Nachsprechen von Zahlenfolgen oder Sätzen; wichtige Grundlage für das Lernen und das Sprachverständnis), das Hochtonverstehen und die Lautdiskriminationsfähigkeit (wichtig für Leserechtschreibfähigkeit und Artikulation) verbessern könnte. Denn sowohl Sprache als auch Musik besitzen verschiedene Prosodien, Rhythmen und Tonhöhen. Musik und Sprache werden in denselben Hirnregionen verarbeitet und für das Erkennen von musikalischen und sprachlichen Rhythmen sind dieselben Hirnareale aktiviert. An der betreffenden Studie nahmen 141 Vorschulkinder im Alter von 4 bis 6 Jahren teil, die während dieser Maßnahme nicht in logopädischer Behandlung sein durften. Diese Kinder konnten nach Aussagen von Erzieherinnen nur schlecht zuhören, sich Dinge schwer merken, waren leicht ablenkbar oder unverständlich in ihrer Sprache. Durch das sprachfreie Hörtraining, welches Gehör und Wahrnehmung durch Musik anregen und schulen soll, kam es tatsächlich zu Verbesserungen im auditiven Arbeitsgedächtnis, im phonologischen Arbeitsgedächtnis, im Hochtonverstehen und in der Lautunterscheidungsfähigkeit. Erzieherinnen berichteten außerdem, dass die Kinder nach dem Hörtraining ruhiger und aufmerksamer waren sowie auf Geräuschkulissen im Kindergarten entspannter reagierten. Einige dieser Kinder waren sogar in ihrer Aussprache deutlicher als zuvor. Dieses spezielle Hörtrainingsverfahren eignet sich also sehr gut für die Behandlung von Sprachverständnisstörungen.

 

(Quelle: Dr. phil. Kaija Früchtenicht aus Forum Logopädie Januar 2017, S. 6-12)

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